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CASE STUDY – Schwedische Holzindustrie (Teil 1)

  • Autorenbild: Bauhuette 4.0
    Bauhuette 4.0
  • 14. Apr.
  • 5 Min. Lesezeit


In der ältesten Brettschichtholz-Fabrik Schwedens, Moelven Töreboda AB
In der ältesten Brettschichtholz-Fabrik Schwedens, Moelven Töreboda AB

Foto: Wasita Amatyakul




Ein Überblick über die schwedische Holzbauindustrie


Die Holzindustrie zählt seit dem 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten Exportsektoren Schwedens. Etwa 70 Prozent der Landesfläche sind mit Wald bedeckt, wobei die Gesamtfläche des Waldlandes über einen längeren Zeitraum hinweg stabil geblieben ist. 83 % der schwedischen Waldflächen bestehen aus Nadel- und Mischwäldern (Svenskt Trä, 2020). Das Holzvolumen setzt sich überwiegend aus Fichte (40 %) und Kiefer (39 %) zusammen. Die Verteilung der Baumarten variiert jedoch regional.

Rund 65 bis 80 % der schwedischen Schnittholzproduktion werden exportiert, womit Schweden nach Kanada und Russland der weltweit drittgrößte Exporteur von Schnittholz (HS 4407) ist (Svenskt Trä, 2020; Swedish Forest Industries, 2024b).

Bezüglich der Inlandsverwendung entfallen 37 % auf Umbauten, Erweiterungen und Sanierungen von Gebäuden, während 27 % im Neubau von Wohngebäuden oder sonstigen Bauvorhaben eingesetzt werden.



Liste der Beteiligten im Rahmen dieses Besuchs, erstellt von Wasita Amatyakul
Liste der Beteiligten im Rahmen dieses Besuchs, erstellt von Wasita Amatyakul

Industrieholz – Innovation und Akteure in der schwedischen Nadelholz-Wertschöpfungskette


Die schwedische Nadelholzindustrie ist ein gut integriertes System, in dem verschiedene Akteure zur Weiterentwicklung der industrialisierten Holztechnologie beitragen. Ein umfassendes Verständnis der gesamten Systemkette ist entscheidend für eine nachhaltige Architektur. Lokale Systemketten können Gemeinschaften stärken und gleichzeitig Umweltbelastungen minimieren. Jeder Akteur trägt wesentlich zur Innovation, Nachhaltigkeit und Effizienz entlang der Nadelholz-Wertschöpfungskette bei. Im Rahmen dieser Reise teilten die wichtigsten Akteure, die eng in diesem Ökosystem zusammenarbeiten, ihre Rollen und Zielsetzungen innerhalb der Industrie und ihrer Produkte, wie beispielsweise Brettschichtholz (Swedish Forest Industries, 2024a).


1. Öffentlich-private Organisation zur Unterstützung der schwedischen Industrie – Business Sweden

Business Sweden fördert schwedische Industrien, insbesondere den Nadelholz- und Holzsektor, auf internationalen Märkten. Die Organisation unterstützt Unternehmen beim internationalen Ausbau durch Handel und Investitionen. Im Bereich der Holztechnologie vernetzt sie schwedische Unternehmen mit globalen Akteuren für Exporte und Partnerschaften und stärkt die Position Schwedens als Vorreiter im nachhaltigen Holzbau.


2. Gemeinnützige Organisation zur Förderung nachhaltiger Materialien – EIF

EIF setzt sich für Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und die nachhaltige Nutzung von Materialien im schwedischen Holzsektor ein. Der Fokus liegt auf verantwortungsvoller Forstwirtschaft, Lebenszyklusanalysen und der Entwicklung biobasierter Materialien. EIF stellt sicher, dass industrialisierte Holztechnologien mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit vereinbar sind. Durch die Vernetzung von Industriepartnern, Forstwirten, Forschern und politischen Entscheidungsträgern gestaltet EIF Rahmenbedingungen und Geschäftsstrategien für die langfristige Tragfähigkeit des Holzbaus.


3. Privatwirtschaftlicher Akteur für nachhaltiges Bauen – GAIA Architect

GAIA Architect konzentriert sich auf nachhaltiges Bauen mit Holz, mit besonderem Augenmerk auf Ressourceneffizienz, verantwortungsvolle Forstwirtschaft und Materialoptimierung. Das Büro verfolgt einen ganzheitlichen Architekturansatz, der Wiederaufforstung, vielfältige Holzarten und die Maximierung recycelter Materialien bei gleichzeitig minimalem Einsatz neuer Ressourcen in Einklang bringt. Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren gewährleistet langlebige, wartungsfähige Strukturen, wobei Lebensdauer und Rückbaubarkeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg berücksichtigt werden.


4. Kooperative Forschungs- und Innovationsplattform – HSB Living Lab

Das HSB Living Lab ist eine innovative Plattform für nachhaltiges Wohnen und Bauprodukte und fungiert als realitätsnahes Testfeld für neue Bautechnologien. Es verbindet Wissenschaft, Industrie und Öffentlichkeit, um die Leistung und Nachhaltigkeit von Holzbauprodukten zu bewerten. In Zusammenarbeit mit Universitäten und Bauunternehmen validiert das Labor Entwicklungen in der Holztechnologie für den großflächigen Einsatz. Zudem sammelt es Daten zum Nutzerverhalten, um den Ressourcenverbrauch vorherzusagen und die Energieeffizienz im Wohnbau zu optimieren.


5. Öffentliche Forschungseinrichtung – RISE

RISE (Research Institutes of Sweden) ist ein zentraler Forschungs- und Innovationspartner der schwedischen Holzindustrie. Die Einrichtung führt wissenschaftliche Studien, Materialprüfungen und technologische Entwicklungen im Bereich von Holzwerkstoffen durch. RISE kooperiert mit Akteuren entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Rohstofflieferanten bis hin zu Bauunternehmen – und stellt sicher, dass Holzlösungen hohe Anforderungen an Leistung, Sicherheit und Nachhaltigkeit erfüllen. Durch branchenübergreifende Zusammenarbeit beschleunigt RISE die Verbreitung und Standardisierung industrialisierter Holztechnologien in Schweden und darüber hinaus.


6. Regionaler Hersteller – Moelven Töreboda AB

Gegründet im Jahr 1919, ist Moelven Töreboda AB Schwedens führender Produzent von Holzwerkstoffen und der älteste Hersteller von Brettschichtholzträgern. Das Unternehmen liefert hochwertiges Holz für den industriellen Bau und schlüsselfertige Projekte mit Brettsperrholz (CLT). In enger Zusammenarbeit mit Architekten, Bauunternehmen und Forschern entwickelt Moelven innovative Holzlösungen und trägt somit zu einer nachhaltigen Nadelholz-Wertschöpfungskette bei. Die vorgefertigten Elemente des Unternehmens unterstützen die schwedischen Ziele für den biobasierten Bau.


Fotos vom Besuch – 1. Business Sweden, 2. RISE Prüfinstitut, 3. White Arkitekter, 4. Wingårdhs Architekten, Folkhem, 5. HSB Living Lab, 6. Moelven-Werk, 7. Büro von Atrium Ljungberg

Fotos: Wasita Amatyakul




Zentrale Erkenntnis

Die schwedische Holzbauindustrie hat sich dank politischer Unterstützung, technologischer Innovationen und wachsender Marktakzeptanz erheblich weiterentwickelt. Holz, das lange Zeit von Beton und Stahl verdrängt wurde, hat insbesondere seit der Einführung der nationalen Holzbaustrategie (2015) und der Klimadeklaration für Neubauten (2022) wieder an Bedeutung gewonnen. Diese politischen Maßnahmen sowie die funktionsbasierten Bauvorschriften seit 1994 haben den Bau von mehrgeschossigen Holzgebäuden unter Wahrung von Sicherheit und baulicher Integrität ermöglicht. Der rechtliche Rahmen und marktbasierte Anreize – wie die Wiederaufforstungsregel „Einen fällen, drei pflanzen“ – fördern den nachhaltigen Holzbau in Schweden. Öffentlich-private Partnerschaften haben eine gut integrierte Nadelholz-Wertschöpfungskette geschaffen, die Schweden als globalen Vorreiter im nachhaltigen Holzbau positioniert.

Herausforderungen bestehen weiterhin, insbesondere durch Einschränkungen bei verfügbaren Holzabmessungen. Der Rückgang größerer Querschnitte führt zu einem Mangel an hochfestem Bauholz (T22), was sich auf Brettschichtholzträger auswirkt. Dennoch entwickelt sich die schwedische Holzindustrie durch den Einsatz von Vorfertigungstechniken weiter, die sowohl die Baugeschwindigkeit als auch die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit steigern.



Eine Illustration zeigt die nordische Methode zur Einschnittführung von Rundholz in verschiedene Dimensionen. Da T22 aus dem Splintholz (äußerer Teil des Stammes) gefertigt wird, wirkt sich ein geringerer Stammdurchmesser direkt auf die Menge des produzierbaren T22-Holzes aus. Neu gezeichnet von Wasita Amatyakul
Eine Illustration zeigt die nordische Methode zur Einschnittführung von Rundholz in verschiedene Dimensionen. Da T22 aus dem Splintholz (äußerer Teil des Stammes) gefertigt wird, wirkt sich ein geringerer Stammdurchmesser direkt auf die Menge des produzierbaren T22-Holzes aus. Neu gezeichnet von Wasita Amatyakul




Vorteile und neue Trends im Holzbau in Schweden

Marktwert und Immobilienentwicklung


Holzbauten gewinnen in Schweden zunehmend an Bedeutung. Immobilienentwickler erkennen den langfristigen Marktwert insbesondere im urbanen Wohnungsbau und in gewerblichen Projekten.


Verbesserte Wohnqualität und Naturverbundenheit

Holzgebäude tragen zum Wohlbefinden bei, indem sie die Innenraumluftqualität verbessern und eine stärkere Verbindung zur Natur ermöglichen – ein Faktor, der mit einer positiven Wirkung auf die psychische Gesundheit in Verbindung steht.

Leichtbauweise

Holz ist deutlich leichter als Beton und Stahl, was den Bedarf an schweren Fundamenten reduziert und innovative architektonische Lösungen ermöglicht.

Schnelle Bauzeit

Vorgefertigte Holzelemente beschleunigen den Bauprozess, reduzieren den Arbeitsaufwand auf der Baustelle und minimieren Materialabfälle. Projekte wie „Cederhusen“ zeigen Effizienzsteigerungen, bei denen sich die Montagezeit pro Stockwerk von vier auf zwei Tage halbierte.

Wettbewerbsfähige Kosten

Brettschichtholzträger und andere Holzwerkstoffe sind kostenmäßig konkurrenzfähig gegenüber Betonkonstruktionen. Herausforderungen bestehen jedoch weiterhin in Bezug auf Wiederverwendung und Umnutzung, insbesondere aufgrund von Qualitätskontrollen und Standardisierungsfragen bei Holzdimensionen.

Rechtlicher und politischer Rückhalt

Die schwedische Politik – mit funktionsbasierten Bauvorschriften und Umweltregulierungen – hat den Holzbau gestärkt. Die Nationale Holzbaustrategie und die Klimadeklaration für Neubauten bieten einen klaren Rahmen für eine nachhaltige Stadtentwicklung.


Holznutzung in Schweden im Jahr 2018, Illustration aus dem Magazin Att välja trä, Ausgabe 2018 (übersetzt mit DeepL)  Quelle: https://www.svenskttra.se/siteassets/5-publikationer/pdfer/avt-2020-72ppi.pdf, abgerufen am 19. März 2025


Literaturverzeichnis

Svenskt Trä. (2020). Att välja trä. Anna Ryberg Ågren.https://www.svenskttra.se/siteassets/5-publikationer/pdfer/avt-2020-72ppi.pdf

Svenskt Trä. (2025). Wood in the construction process. Swedish Wood.https://www.swedishwood.com/building-with-wood/construction/building-with-wood/

Swedish Forest Industries. (2024a, 10. März). Sawn wood products – Swedish Forest Industries Federation. Forestindustries.sehttps://www.forestindustries.se/forest-industry/materials-and-products/sawn-wood-products/

Swedish Forest Industries. (2024b, 9. April). Markets and products – Swedish Forest Industries Federation. www.forestindustries.sehttps://www.forestindustries.se/forest-industry/statistics/markets-and-products/

Verkerk, P. J., Levers, C., Kuemmerle, T., Lindner, M., Valbuena, R., Verburg, P. H., & Zudin, S. (2015). Mapping wood production in European forests. Forest Ecology and Management, 357, 228–238.https://doi.org/10.1016/j.foreco.2015.08.007



Diese Veröffentlichung fasst zentrale Erkenntnisse der Forschungsreise von Göteborg nach Stockholm zusammen, die vom 1. bis 8. März 2025 stattfand. Die Exkursion war Teil des Projekts „Entwicklung eines vorgefertigten Holzeinbaumoduls in Wohnanlagen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltigen Entwicklung in Thailand“. Besucht wurden unter anderem Töreboda und Stockholm mit Gesprächen und Treffen mit EIF, der Chulalongkorn-Universität, Business Sweden sowie der Königlich Thailändischen Botschaft in Stockholm.



Autorin: Wasita Amatyakul, Netzwerkassistentin bei Bauhütte 4.0 und Dozentin an der Chulalongkorn University

Kontakt: Für weitere Informationen zu den in diesem Artikel genannten Ansprechpartnern wenden Sie sich bitte an:contact@bauhuette40.com



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